Tractatus de urbe Brandenburg
Zusammenfassung
Der Tractatus de urbe Brandenburg, die ›Abhandlung über die Burg(stadt) Brandenburg‹, ist das älteste erhaltene Zeugnis brandenburgischer Geschichtsschreibung und zugleich die wichtigste Quelle für die Ereignisse, die zur Entstehung der Mark Brandenburg führten. Er entstand in den 1170er-Jahren unter Markgraf Otto I. von Brandenburg, dem Sohn Markgraf Albrechts des Bären, und handelt davon, wie die Brandenburg von dem Slawenfürsten Pribislaw/Heinrich in Albrechts Besitz überging, ein Prozess, der mit der Inbesitznahme der Brandenburg durch Albrecht am 11. Juni 1157 zum Abschluss gelangte. Die originale Fassung des Traktats ist nicht erhalten. Nachdem 1995 im Hauptstaatsarchiv Weimar ein neuer Textzeuge gefunden wurde, konnte sie jedoch rekonstruiert werden. Außerdem ließ sich durch die Weimarer Handschrift nachweisen, dass Heinrich von Antwerpen, der bisher als Autor des Textes galt, eine fingierte Person ist.
Kontextualisierung
Tractatus de urbe Brandenburg
Christina Meckelnborg
Kontextualisierung
In das Gebiet zwischen Elbe und Oder wanderten seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts Slawen aus dem heutigen Polen und Böhmen ein. Einer der slawischen Stämme waren die Heveller (Havelslawen), die auf Slawisch Stodoranen hießen. Sie ließen sich im 9. Jahrhundert an der mittleren Havel, ungefähr im Raum Brandenburg, Spandau, Rathenow, nieder und errichteten vermutlich um 900 auf der heutigen Brandenburger Dominsel, einem strategisch günstigen Punkt an der von Magdeburg kommenden Handelsstraße, ihre Stammesburg. Wie Widukind von Corvey († nach 973) in seiner Sachsengeschichte (1, 35) berichtet, überfiel der ostfränkische König Heinrich I. († 936) die Heveller und ›nahm in einem sehr strengen Winter‹ – vermutlich im Winter 928/929 – ›die Burg, die Brennaburg genannt wird, durch Hunger, Schwert und Kälte ein‹.[1] Die Brennaburg bzw. Brandenburg muss aber bald darauf, um 940, wieder an die Heveller zurückgefallen sein, denn Widukind schreibt (2, 21), dass der Hevellerfürst Tugumir, ›mit viel Geld bestochen und durch ein größeres Versprechen überredet‹, seinen auf der Brennaburg residierenden Neffen tötete und ›die Burg zusammen mit der ganzen Gegend der Gewalt des Königs‹, das heißt König Ottos I. († 973), ›übergab‹.[2] Die Brandenburg wurde also Reichsburg. Als Otto I. zwecks Christianisierung der Slawen und zum Aufbau einer Kirchenorganisation das Bistum Brandenburg gründete – der Gründungsurkunde[3] zufolge geschah dies am 1. Oktober 948 oder 949, nach Ansicht mancher Forscher erst um 965 –, schenkte er dem Bischof die nördliche Hälfte der Burginsel, sodass sich König und Bischof nun den Besitz teilten. Bei dem Slawenaufstand im Jahr 983 ging die Brandenburg jedoch erneut an die Slawen verloren, wie Thietmar von Merseburg († 1018) in seiner Chronik (3, 17) drastisch schildert.[4] Dies hatte zur Folge, dass die Brandenburger Bischöfe bis ins 12. Jahrhundert im Exil residierten. Nach dem Slawenaufstand gab es zwar zahlreiche Versuche der sächsischen Herrscher, insbesondere König Ottos III. († 1002), die Brandenburg zurückzuerobern, aber dennoch gelang es ihnen nicht, sie dauerhaft in ihren Besitz zu nehmen. Auch die Einnahme der Brandenburg durch Udo III. Markgraf der Nordmark († 1106), die dem Annalista Saxo (Mitte des 12. Jahrhunderts) zufolge wohl im Winter 1100/01 erfolgte,[5] scheint nicht von langer Dauer gewesen zu sein. Als die ostsächsischen Fürsten und Bischöfe, darunter Graf Otto der Reiche von Ballenstedt († 1123) aus dem Geschlecht der Askanier und der Brandenburger Bischof Hartbert († 1122/25), wenig später – vermutlich im Jahr 1108 – zu einem Kreuzzug gegen die ostelbischen Heiden aufriefen, war die Brandenburg offenbar schon wieder in Slawenhand. Erst der Sohn Ottos des Reichen, Albrecht der Bär († 1170), seit 1134 Markgraf der Nordmark, brachte die Burg 50 Jahre später endgültig in seinen Besitz und legte damit den Grundstein zum Aufbau der Mark Brandenburg unter askanischer Herrschaft. Wie die Herrschaft auf der Brandenburg von dem letzten Slawenherrscher Pribislaw/Heinrich († 1150) auf Markgraf Albrecht überging, wird einzig im Tractatus de urbe Brandenburg geschildert, der allerdings wegen seines erzählenden Charakters und seiner tendenziösen Darstellung kritisch zu bewerten ist.
Quellenanalyse
Die originale Fassung des Traktats, die mithilfe der 1995 gefundenen Weimarer Handschrift rekonstruiert werden konnte, ist sprachlich und stilistisch von guter Qualität und verrät einen Verfasser, der mit dem klassischen Latein vertraut war. In der Originalfassung kommen nur vier handelnde Personen vor: der Slawenkönig (rex) Pribislaw, der den Taufnamen Heinrich trug, seine Frau Petrissa, Markgraf Albrecht, der von Pribislaw/Heinrich zum Erben seiner Herrschaft eingesetzt wurde, und der polnische Fürst Jaczo, das heißt Jacza von Köpenick, der als angeblicher Onkel Pribislaws/Heinrichs Anspruch auf das Erbe erhob und die Brandenburg besetzte. Die Personen bleiben mit Ausnahme Albrechts merkwürdig blass und agieren in einem zeitlich unbestimmten Rahmen (›in unzähligen Kreisläufen von Jahren‹, ›eine Zeitlang‹ etc.). Der Traktat ist bewusst ganz allgemein gehalten. Die Erzählung läuft auf den Schlusssatz hinaus, der einzig auch ein konkretes Datum enthält: ›So gewann also der oben genannte Markgraf Albrecht im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1157 am 11. Juni die Burg Brandenburg mit Hilfe göttlicher Gnade sehr siegreich zurück.‹ Konkret ist der Autor ansonsten nur dort, wo es um Rechtliches geht: In den kurzen Traktat sind erstaunlich viele Hinweise auf die Besitzverhältnisse der Brandenburg eingestreut. Es wird beispielsweise berichtet, dass Pribislaw/Heinrich die Herrschaft über die Brandenburg ›aufgrund der rechtmäßigen Erbfolge‹ innehatte, dass er Markgraf Albrecht ›als Erben seiner Herrschaft‹ einsetzte und dass dieser die Brandenburg ›gleichsam nach Erbrecht in Besitz nahm‹ und ›das uneingeschränkte Verfügungsrecht auf der Brandenburg‹ erlangte. Diese Betonung des besitzrechtlichen Aspekts erklärt sich dadurch, dass der Traktat dazu dienen sollte, die Inbesitznahme der Brandenburg durch Markgraf Albrecht im Jahr 1157 nachträglich zu legitimieren. Denn Albrecht hatte die Burg zwar de facto in seinen Besitz gebracht und konnte das damals geltende Recht des Eroberers für sich in Anspruch nehmen, de iure stand ihm die Brandenburg jedoch gar nicht zu. Diese gehörte vielmehr jeweils zur Hälfte dem König und dem Bischof. Die Markgrafen gaben sich mit dieser Situation jedoch nicht zufrieden. Albrechts Sohn, Markgraf Otto I. († 1184), setzte in den 1170er-Jahren alles daran, das im Traktat postulierte ›uneingeschränkte Verfügungsrecht auf der Brandenburg‹ für sich zu erlangen. Ein Schritt in diese Richtung war, dass er sich ab Ende des Jahres 1170 nicht mehr nach der Nordmark, sondern nach der Brandenburg (Brandeburgensis marchio) nannte und die Burg in einer Urkunde von 1179[6] als ›meine/unsere Burg‹ (urbs nostra) bezeichnete. In diesen Kontext und in diese Zeit gehört der Traktat, hinter dem sich in Wirklichkeit eine Besitzrechtsgeschichte der Brandenburg aus askanischer Sicht im Gewand einer Erzählung verbirgt.
Die Textfassung der Weimarer Handschrift
Etwa 50 Jahre später wurde der Traktat durch umfangreiche Interpolationen, das heißt Zusätze, erweitert. Diese interpolierte Fassung bietet die Weimarer Handschrift. Auch wenn diese Fassung hier nicht präsentiert wird, muss sie dennoch erwähnt werden, weil aus ihr die Originalfassung rekonstruiert werden kann. Glücklicherweise hat nämlich der Interpolator flüchtig gearbeitet, sodass sich seine Zusätze leicht erkennen lassen. Sie handeln unter anderem von der Ansiedlung der Prämonstratenser an der Gotthardtkirche in der Vorstadt der Brandenburg unter Bischof Wigger († 1160) und von der Unterstützung des Magdeburger Erzbischofs Wichmann († 1192) für Albrecht bei der Aufstellung eines großen Heeres im Kampf gegen Jaczo. Am Schluss der Weimarer Fassung wurde ein ganzer Absatz hinzugefügt, in dem von den Aktivitäten Bischof Wilmars († 1173) im Jahr 1165 berichtet wird, insbesondere von der Umsiedlung der Prämonstratenser von der Gotthardtkirche auf die Brandenburg am 8. September 1165 und der Grundsteinlegung des Brandenburger Doms am 11. Oktober 1165. Die langen, verschachtelten Sätze, der ungeschickte Stil, die vielen, auf engstem Raum zusammengedrängten Details und die inhaltlichen Fehler und Ungereimtheiten der hinzugefügten Partien passen nicht zu der schlichten, ausgewogenen Erzählung des Originaltraktats und sprechen dafür, dass es sich um Interpolationen handelt. Einen zusätzlichen Beweis liefert das Incipit der Weimarer Handschrift (siehe Edition, Zeile 1–4), das als Inhalt des Traktats nur die Christianisierung der Brandenburg, ihre Besetzung durch Jaczo und ihre endgültige Inbesitznahme durch Markgraf Albrecht nennt, nicht jedoch die Ereignisse von 1165. Als Quellen der Zusätze konnten drei Urkunden des Brandenburger Domstifts ermittelt werden, zwei Urkunden Bischof Wilmars von 1161 und 1166 und eine Urkunde Erzbischof Wichmanns, ebenfalls von 1161.[7] Die Benutzung dieser Urkunden deutet darauf hin, dass der Interpolator ein Angehöriger des Brandenburger Domkapitels war, da es unwahrscheinlich ist, dass ein Fremder Zugang zu den Urkunden hatte. Durch die Zusätze sollten Erzbischof Wichmann und die Bischöfe Wigger und Wilmar, die im Originaltraktat nicht vorkommen, in die Geschehnisse rund um die Inbesitznahme der Brandenburg durch Albrecht den Bären einbezogen werden. Die Suche nach dem Grund für die Umarbeitung des Traktats führt in die letzte Phase des sogenannten Brandenburger Zehntstreits, das heißt in die 1230er-Jahre, als der Zehntstreit vor der römischen Kurie verhandelt wurde. In diesem Streit musste sich der Brandenburger Bischof Gernand († 1241) gegen die Markgrafen Johann I. († 1266) und Otto III. († 1267) zur Wehr setzen, die einen großen Teil des Kirchenzehnten für sich beanspruchten, da ihre Vorfahren angeblich allein das Land christianisiert und die Bischöfe es ihnen zu verdanken hätten, dass der Bischofssitz auf der Brandenburg wieder errichtet werden konnte. Wenn der Traktat den Bischöfen jedoch eine Mitwirkung an diesen Vorgängen bescheinigte, war dadurch der Argumentation der Markgrafen die Grundlage entzogen, sodass die Chancen des Bischofs stiegen, den Prozess zu gewinnen.
Die Textfassung der Magdeburger Handschrift
Rund 30 Jahre später erfuhr der Traktat erneut eine Umarbeitung. Dabei wurde die Textfassung, wie sie die Weimarer Handschrift überliefert, um Zusätze erweitert, die dem Text eine neue Ausrichtung gaben: Er wurde jetzt in den Dienst des Prämonstratenserstifts Sankt Marien in Leitzkau (25 Kilometer südöstlich von Magdeburg), des Mutterklosters des Brandenburger Domstifts, gestellt. Diese dritte Fassung findet sich in der Magdeburger Handschrift, die bis zur Entdeckung der Weimarer Handschrift der einzig bekannte Textzeuge des Tractatus de urbe Brandenburg war. Ebenso wie die Textfassung der Weimarer Handschrift wird auch die der Magdeburger Handschrift hier in der Edition nicht berücksichtigt. Da sie jedoch für die Frage nach dem Autor des Traktats wichtig ist, muss auch sie kurz vorgestellt werden: In der Magdeburger Handschrift steht der Traktat inmitten von Text- und Urkundenauszügen, die das Leitzkauer Stift betreffen und den Titel Fundatio ecclesie Letzkensis (›Gründungsgeschichte der Leitzkauer Kirche‹) tragen. Sie wurden von einem Konventualen dieses Stifts kompiliert und durch überleitende Partien miteinander verbunden. Entstanden ist auf diese Weise »ein wahrhaft betrübliches Machwerk«, das »in einem bisher nicht geahnten Grade als unzuverlässig anzusprechen ist«.[8] Um den Traktat für die Fundatio nutzbar zu machen, fügte der Kompilator äußerst ungeschickt mehrere Zusätze ein, die von Leitzkau handeln. Sie sollten das höhere Alter und die Vorrangstellung des Leitzkauer Mutterklosters gegenüber dem Brandenburger Domstift aufzeigen. Dahinter stand die Absicht, die domkapitularen Rechte, die Leitzkau seit der Wahl Bischof Wiggers 1138 bis zur Einsetzung des Domkapitels auf der Brandenburg 1161 besaß, wiederzuerlangen, vor allem das Bischofswahlrecht, das in den 1260er- und 1270er-Jahren, in denen die interpolierte Magdeburger Fassung des Traktats sehr wahrscheinlich entstand, Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Leitzkau und Brandenburg war.
Zur Autorschaft des Traktats
Einzig in der Magdeburger Handschrift wird als Autor des Traktats ein Henricus dictus de Antwerpe (›Heinrich genannt von Antwerpen‹) genannt, der als Gewährsmann des Vergangenen (preteritorum), also wohl der im Traktat geschilderten Ereignisse, dienen soll und von dem es heißt, er sei ›Prior im Brandenburger Domstift unter Propst Alberich‹ (sub Alurico preposito prior in Brandenburg) gewesen und habe den Traktat als ›junger Mann‹ (ephebus) geschrieben. Dies ist kurz zusammengefasst der Inhalt zweier konfuser Sätze, die nicht zum Traktat gehören, sondern einen Vorspann bilden, der von dem vorangehenden Stück zum Traktat überleitet, also eigens für die Einbindung des Traktats in die Fundatio ecclesie Letzkensis geschrieben wurde und daher Teil des »Machwerks« des Leitzkauer Kompilators ist. Sie verdrängten das in der Weimarer Handschrift erhaltene Incipit des Originaltraktats, das der Kompilator als Explicit an das Ende seiner Traktatfassung verschob. In der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts wurde der Überlieferungskontext jedoch nicht berücksichtigt, vielmehr betrachtete man den Traktat isoliert und akzeptierte Heinrich von Antwerpen ganz selbstverständlich als dessen Autor. Er wurde sogar für so wichtig erachtet, dass um 1900 eine Büste von ihm in der Siegesallee Kaiser Wilhelms II. in Berlin aufgestellt wurde.[9] Zweifel an seiner Person gab es auch deshalb nicht, weil es tatsächlich unter Alberich, der von 1216/17 bis 1231 das Amt des Brandenburger Dompropstes innehatte, einen Heinricus prior gab, der in Urkunden der Jahre 1216/17 bis 1227 mehrmals als Zeuge vorkommt. Ihn identifizierte man also bedenkenlos mit dem Autor des Traktats, obwohl sich bei dem urkundlich bezeugten Domprior Heinrich nirgends eine Angabe zu seiner Herkunft findet. Doch selbst wenn man einmal annähme, Autor und Domprior seien identisch, ließen sich die Angaben aus dem Vorspann und den Urkunden zu keiner plausiblen Vita zusammenfügen: Wenn ›Heinrich genannt von Antwerpen‹ die im Tractatus de urbe Brandenburg geschilderten Ereignisse tatsächlich miterlebt haben sollte, müsste er spätestens um 1140 in Flandern geboren und vor 1157 in die Nähe der Brandenburg gekommen sein. Schon dies ist höchst unwahrscheinlich. Zwar ist bekannt, dass Markgraf Albrecht Flamen ins Land holte, doch dies geschah der Slawenchronik Helmolds von Bosau († nach 1177) zufolge (Kapitel 89) erst nach der Unterwerfung und Vertreibung der Slawen,[10] also nach 1157. Ebenso unwahrscheinlich ist es auch, dass sich ein ›Ephebe‹ aus Flandern kurz nach seiner Ankunft im fremden Land als Historiograf dieses Landes betätigt und Markgraf Albrecht in flüssigem, stilistisch ansprechendem Latein die Rechtmäßigkeit der Eroberung der Brandenburg bescheinigt haben soll. Dieser flämische Geschichtsschreiber wäre dann 1216/17, rund 60 Jahre später, als Prior des Brandenburger Domstifts wiederaufgetaucht und hätte mindestens bis 1227 gelebt. Wahrscheinlich ist dies alles nicht. Doch es gibt weitere Einwände: Die Namensform Henricus dictus de Antwerpe anstelle des einfachen Herkunftsnamens Henricus de Antwerpe ist in der Zeit, in der der flämische ›Ephebe‹ den Traktat gemäß der Magdeburger Handschrift geschrieben haben soll, das heißt bald nach 1157, noch unüblich. Am stärksten wiegt jedoch, dass in der neu aufgefundenen Weimarer Handschrift, die das Incipit der Originalfassung bewahrt hat, kein Autor genannt wird. Dort findet sich nur ein schlichtes Incipit mit einer kurzen Inhaltsangabe des Traktats. Man muss daher annehmen, dass ›Heinrich genannt von Antwerpen‹ von dem Leitzkauer Kompilator erfunden wurde. Dieser verknüpfte den echten Brandenburger Domprior Heinrich mit dem fingierten Autor, um seine Version des Traktats glaubwürdiger zu machen. Dadurch, dass er die Abfassung des Traktats in die Jugend des Autors verlegte, rückte er diesen in größere Nähe zum Geschehen. Damit bediente er sich des in fiktionaler Literatur nicht seltenen Kunstgriffs, durch die Beibringung eines angeblichen Gewährsmannes seiner eigenen Erzählung eine höhere Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Wer der echte Autor war, muss offenbleiben. Nur so viel steht fest: Er war ein im Lateinischen versierter Geschichtsschreiber, der den Tractatus de urbe Brandenburg in den 1170er-Jahren für Markgraf Otto I., vielleicht sogar in dessen Auftrag, schrieb.
[1] Die Sachsengeschichte des Widukind von Korvei, bearb. von Paul Hirsch i. V. m. Hans-Eberhard Lohmann (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, [Bd. 60]), 5. Aufl., Hannover 1935, S. 49f.
[2] Ebd., S. 85.
[3] Domstiftsarchiv Brandenburg, U. 1.
[4] Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung, hrsg. von Robert Holtzmann (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum, N. S., Bd. 9), Berlin 1935, S. 118f.
[5] Die Reichschronik des Annalista Saxo, hrsg. von Klaus Naß (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores, Bd. 37), Hannover 2006, S. 499f., 503.
[6] Domstiftsarchiv Brandenburg, U. 11.
[7] Domstiftsarchiv Brandenburg, U. 3, U. 7, U. 4.
[8] Hans-Dietrich Kahl, Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölften Jahrhunderts. Die letzten Jahrzehnte des Landes Stodor, 1. Halbbd.: Darlegungen (Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 30), Köln/Graz 1964, S. 407, 461.
[9] Die Büste gehört als Assistenzfigur Markgraf Ottos II. von Brandenburg († 1205) zur Figurengruppe 3 der Siegesallee. Sie befindet sich heute in der Ausstellung ›Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler‹ in der Zitadelle Spandau.
[10] Helmolds Slavenchronik, bearb. von Bernhard Schmeidler (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, [Bd. 32]), 3. Aufl., Hannover 1937, S. 147f.
Übersetzung
Eine Übersetzung des Traktats (von Christina Meckelnborg) finden Sie hier.
Edition
Eine Edition des Traktats (ediert von Christina Meckelnborg) finden Sie hier.
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Quellen & Literatur
Edition und Übersetzung
Christina Meckelnborg, Tractatus de urbe Brandenburg. Das älteste Zeugnis brandenburgischer Geschichtsschreibung. Textanalyse und Edition (Schriften der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg, N. F., Bd. 7), Berlin 2015, S. 110–119.
Literatur
Hans-Dietrich Kahl, Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölften Jahrhunderts. Die letzten Jahrzehnte des Landes Stodor, 1. Halbbd.: Darlegungen, 2. Halbbd.: Materialien (Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 30), Köln/Graz 1964.
Christina Meckelnborg, Tractatus de urbe Brandenburg. Das älteste Zeugnis brandenburgischer Geschichtsschreibung. Textanalyse und Edition (Schriften der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg, N. F., Bd. 7), Berlin 2015.
Dies., Der Tractatus de urbe Brandenburg, in: Rüdiger von Schnurbein (Hrsg.), Beständig neu. 850 Jahre Dom zu Brandenburg an der Havel, Berlin 2015, S. 35–41.
Dies., Der »Tractatus de urbe Brandenburg«, publiziert am 7. März 2018; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: brandenburgikon.net/index.php/de/sachlexikon/tractatus-de-urbe-brandenburg [abgerufen am: 17. April 2020].
Lutz Partenheimer, Die Entstehung der Mark Brandenburg. Mit einem lateinisch-deutschen Quellenanhang, Köln/Weimar/Wien 2007.
Empfohlene Zitierweise
Christina Meckelnborg, Tractatus de urbe Brandenburg, in: 100 Schlüsselquellen zur Geschichte von Berlin, Brandenburg und Preußen, URL: www.hiko-berlin.de/Tractatus-1170er [abgerufen am: TT. Monat JJJJ]. Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Textes die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.